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       # taz.de -- Medienethik: „Nicht den Fokus auf den Suizid“
       
       > Stefanie Averbeck-Lietz, Professorin für Kommunikationswissenschaft, über
       > einen ethisch vertretbaren medialen Umgang mit Selbsttötungen.
       
   IMG Bild: Zeitungen können echt widerlich sein - dabei werden sie meist zum Frühstück konsumiert.
       
       taz: Frau Averbeck-Lietz, sollten Medien über Suizide berichten und wenn
       ja: Auf welche Art und Weise? 
       
       Stefanie Averbeck-Lietz: Nun, da gibt es ja Richtlinien des Deutschen
       Presserats, nach denen prinzipiell erst einmal das Informationsinteresse
       der Öffentlichkeit mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen
       abgeglichen werden muss. Und die gelten natürlich auch posthum.
       
       Wann ist denn jemand eine Person des öffentlichen Interesses? 
       
       Zumindest aus medienethischer Sicht sollte das schon jemand sein, der
       tatsächlich auch in der Öffentlichkeit steht, den die Menschen also auch
       kennen. Sollte das nicht so sein, wäre es angebracht, nicht seinen Namen,
       sondern nur seine Funktion zu nennen. In Richtlinie 8.7 des Pressekodex
       heißt es dazu: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet
       Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die
       Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände.“
       Der Schweizer Presserat spricht in seinem Kodex sogar von „größter
       Zurückhaltung.“
       
       Wie sollte diese Zurückhaltung konkret aussehen? 
       
       Erst einmal sollte man genau prüfen, ob der Suizid überhaupt berichtenswert
       ist. Kommt man nicht umhin, darüber zu berichten, weil er nun einmal mit
       berichtenswerten Umständen verbunden ist, sollte man nicht den Fokus auf
       den Suizid legen. Das heißt: Auf welche Weise und wo sich jemand getötet
       hat, ist unerheblich und kann sogar einen schädlichen Effekt haben.
       
       Inwiefern das? 
       
       Nun, diesen sogenannten „Werther-Effekt“, nach dem Suizide nachgemacht
       werden, gibt es so zwar nicht, aber Menschen, die ohnehin suizidgefährdet
       sind, könnten die Hinweise auf Art und Ort einer Selbsttötung durchaus
       interessant finden. Und abgesehen davon haben solche Details – teilweise
       werden ja sogar Fotos oder Filmaufnahmen vom Ort des Geschehens gemacht –
       keinerlei Wert für die Berichterstattung. Sie dienen der Sensationslust.
       
       Und wenn jemand durch einen Suizid auch das Leben anderer Menschen
       gefährdet? 
       
       Wenn jemand beispielsweise von einer Autobahnbrücke springt und damit
       andere gefährdet, dann bildet dieser Sachverhalt eine Ausnahme – aber nur
       dann, wenn genau der auch Gegenstand der Berichterstattung ist. Und auch
       dann sollte es keine Fotos oder Filmaufnahmen davon geben.
       
       Die genaue Todesart sollte also nicht erwähnt werden, wenn das Thema des
       Berichts eigentlich ist, dass derjenige seinen Job verloren hat und im
       Visier der Staatsanwaltschaft stand? 
       
       Ganz genau. Und: Auch posthum gilt noch immer die Unschuldsvermutung –
       Vorverurteilungen sollte es nicht geben. Wenn die Staatsanwaltschaft gegen
       jemanden ermittelt und derjenige tötet sich selbst, dann heißt das noch
       nicht, dass derjenige auch schuldig war.
       
       Gehören Mutmaßungen über die Gründe für eine Selbsttötung überhaupt in die
       Berichterstattung? 
       
       Mit Mutmaßungen sollte man immer vorsichtig sein, im Falle einer
       Selbsttötung gilt die Zurückhaltung aber ganz besonders. Es gibt meist mehr
       als nur einen Grund für einen Suizid. Und: Da sind schließlich auch noch
       Angehörige, die ebenso schützenswert sind wie die Person, die sich getötet
       hat – und die kann ja nun nichts mehr dazu sagen.
       
       In welcher Breite ist es angemessen, über einen Suizid zu berichten? 
       
       Aus medienethischer Sicht genügt oft eine kurze Meldung, eine nüchterne
       Darstellung des Sachverhalts ohne Ausschmückungen und Mutmaßungen.
       
       11 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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