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       # taz.de -- Olympischer Gedanke und Realität: Eine kulturindustrielle Inszenierung
       
       > Ohne Prunk könnten Spiele gar nicht so schlecht sein. Doch Olympia dient
       > Interessen, die dem Gedanken an einen fairen Wettkampf entgegenstehen.
       
   IMG Bild: Ob die erhofften Effekte für die Stadtentwicklung nachhaltig sind, darf bezweifelt werden. Ringe in Kiel aus dem Jahr 1936
       
       Ich bin für die Olympischen Spiele. Genauer: Ich bin für den olympischen
       Gedanken. Menschen aus aller Welt kommen zusammen, um sich im sportlichen
       Wettkampf unter fairen Bedingungen zu messen, gemeinsam Zeit zu verbringen
       und zur Verständigung zwischen Kulturen beizutragen. Für die Sportlerinnen
       und Sportler geht es um Leistung, um „Citius, altius, fortius“. Doch die
       Olympischen Spiele sind auch und gerade ein Fest des Sports, bei dem die
       Teilnahme zählt. „Dabei sein ist alles!“
       
       Leider sieht die Realität anders aus. Die Olympischen Spiele sind ein
       kulturindustrielles Spektakel. Sie sind ein straff durchorganisiertes und
       orchestriertes Event. Sie dienen dazu, öffentliche, patriotisch konnotierte
       Begeisterung herzustellen, die freilich streng kontrolliert und überwacht
       ausgelebt werden soll. All das geschieht kommerziell und medial vermittelt
       und nicht mehr vorwiegend staatlich verordnet, wie dies noch im Fordismus
       der Fall war.
       
       Es ist zugleich eine Möglichkeit für Sponsoren, Sportfunktionäre und
       Politiker, sich zu präsentieren und sich im Zeichen der fünf Ringe zu
       inszenieren. Die olympische Idee, frei von kommerziellen Interessen in den
       Mittelpunkt zu stellen, ist Teil der Inszenierung. Sie trägt zum Image der
       Spiele bei, das entsprechend vermarktet wird.
       
       Im Unterschied zu Fußballmeisterschaften wird für die Olympischen Spiele
       gern betont, dass sie weniger kommerziell seien. Bei genauer Betrachtung
       lässt sich diese Aussage nicht halten. Die Spiele sind ein ökonomisches
       Projekt wie jedes andere sportliche Großereignis auch. Für die Spiele in
       London beliefen sich allein die Einnahmen aus Sponsorengeldern und dem
       Verkauf der Fernsehrechte auf etwa 5 Milliarden US-Dollar.
       
       ## Der Wettkampf der Nationen
       
       Das reicht jedoch bei Weitem nicht, um die Investitionskosten zu decken.
       Diese liegen bei Sommerspielen im zweistelligen Milliardenbereich und
       übersteigen regelmäßig das geplante Budget. Ob die erhofften Effekte für
       die Stadtentwicklung und Infrastruktur nachhaltig sind, darf angesichts der
       historischen Beispiele bezweifelt werden.
       
       Auch die Verständigung zwischen den Kulturen ist Teil der
       kulturindustriellen Inszenierung. Zur Leistung wird der interkulturelle
       Dialog vor allem vor dem Hintergrund eines Wettkampfs der Nationen, der von
       allen Beteiligten mit Begeisterung gepflegt wird. Sportfunktionäre und
       Politiker geben schon vor den Spielen das Ziel für den Platz in der
       Nationenwertung aus.
       
       Medien drucken und kommentieren den Medaillenspiegel, der nicht die
       Leistung der Einzelnen würdigt, sondern die Sportler auf eine Zahl
       reduziert. Olympische Spiele sind gerade nicht frei von Nationalismus, sie
       produzieren ihn mit, um dann die „Völkerverständigung“ als Errungenschaft
       zu zelebrieren.
       
       Zumindest für den Sport sind die Olympischen Spiele etwas Besonderes. Vor
       allem für sogenannte Randsportarten wie Modernen Fünfkampf, Segeln oder
       Synchronschwimmen scheinen sie eine Chance zu sein, sich der
       Medienöffentlichkeit zu präsentieren und angemessene Aufmerksamkeit für das
       jahrelange Training und die vielen Entbehrungen zu erhalten. Doch selbst
       dieser Aspekt ist Teil der Inszenierung.
       
       ## Die strahlenden Sieger
       
       Aufmerksamkeit erhält vor allem, wer Medaillen gewinnt. Und schon nach
       wenigen Tagen oder Wochen ist das Interesse an diesen Sportarten wieder
       verschwunden. Für die harte Arbeit, die hinter dem Erfolg steht, hat der
       kulturindustrielle Betrieb wenig übrig. Er braucht die strahlenden Sieger
       und die Underdogs, die für die Überraschungen sorgen.
       
       Das IOC hat, so heißt es, erkannt, dass die Spiele nur noch wenig mit der
       olympischen Idee zu tun haben. Mit seiner Reformagenda will es den Sport
       wieder in den Mittelpunkt rücken und zugunsten der Nachhaltigkeit auf den
       Prunk früher Spiele verzichten. Hamburg will eine Bewerbung liefern, die
       genau darauf abzielt, dieses Reformprojekt umzusetzen. Mit der Idee ist
       Hamburg nicht allein, und es ist auch nicht der erste Austragungsort, der
       dies ankündigt. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten.
       
       16 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Torsten Heinemann
       
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