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       # taz.de -- 96: Neuer Trainer, neuer Anlauf mit den Fans: Martin Kinds Flucht nach vorn
       
       > Hannover 96 entlässt Trainer Tayfun Korkut und holt Michael Frontzeck.
       > Dabei geht fast unter, dass der Klub mit einer einlenkenden Erklärung den
       > Bruch mit den Fans zu kitten versucht.
       
   IMG Bild: Hatte eine doppelte Kehrtwende zu erklären: 96-Präsident Martin Kind.
       
       HAMBURG taz | „Es wird bei uns in dieser Saison keinen Trainer-Wechsel
       geben“, hatte Martin Kind, der Klubchef von Hannover 96, noch vor zehn
       Tagen zum Erstaunen vieler versprochen. Nach der deftigen 0:4 Schlappe
       gegen Bayer Leverkusen am Samstag wurde er dann aber doch wortbrüchig. Am
       Montag gab der Verein die Trennung von Coach Tayfun Korkut bekannt. 13
       Auftritte in Folge ohne Sieg waren offenbar doch zu viel. Nachfolger wird
       für die letzten fünf Saisonspiele MIchael Frontzeck, zuletzt beim FC St.
       Pauli unter Vertrag.
       
       Mit der Trainerentlassung geriet eine weniger erwartbare Meldung in den
       Hintergrund. Denn das Präsidium machte am selben Tag deutliche
       Zugeständnisse an die Fanszene, die sich aus Protest gegen Präsident Kind
       vor dieser Saison zu großen Teilen von der Profimannschaft zurückgezogen
       hatte und stattdessen die zweite Mannschaft in der Regionalliga
       unterstützte.
       
       In der Erklärung des Präsidiums taucht das Wort „Entschuldigung“ zwar nicht
       auf, sie wird von den organisierten Fans allerdings so verstanden.
       „Hannover 96 hat heute eine Erklärung veröffentlicht und sich öffentlich
       für die Verfehlungen der Vergangenheit entschuldigt und zudem anerkannt,
       dass die Fanszene ein unverzichtbarer Teil von Hannover 96 ist“, heißt es
       in einer Erklärung der Ultras Hannover. Als Entschuldigung wird vor allem
       eine Passage gelesen, in der es um Vorkommnisse beim Auswärtsspiel bei
       Eintracht Braunschweig in der vergangenen Saison geht. Damals war der
       jahrelange Zwist zwischen den organisierten Fans und der Vereinsführung
       eskaliert, weil das Sicherheitskonzept von Verein und Polizei die 96-Fans
       zur organisierten Anreise mit Bussen zwang. Auswärtskarteninhaber, die das
       nicht wollten, mussten sich ihre Karten vor Gericht einklagen. Elf Klägern
       gelang das, bei 86 weiteren wurde das Verfahren durch einen
       Befangenheitsantrag so verschleppt, dass es vor Anpfiff keine Entscheidung
       gab.
       
       Inzwischen hat das Amtsgericht Hannover das Vorgehen von Hannover 96 als
       rechtsmissbräuchlich bezeichnet. „Im Nachhinein kann man konstatieren, dass
       diese gerichtliche Auseinandersetzung die Beziehungen zwischen den Fans und
       Hannover 96 massiv belastet hat“, sagt das Präsidium heute. „Hannover 96
       hätte die durch das Gericht getroffene Entscheidung anerkennen und den
       Auswärtsdauerkarteninhabern ihre Eintrittskarten aushändigen sollen.“ Neben
       diesem Eingeständnis ist es für die Ultras wichtig, dass der Verein bereits
       am Freitag die bestehenden Stadionverbote aufgehoben hat. Im Gegenzug
       enthält die mit der den Ultras Hannover und dem Fan-Dachverein Rote Kurve
       abgestimmte Erklärung den Hinweis, dass „beiden Seiten bewusst (ist), dass
       sie Fehler begangen haben“ und dass das Sicherheitskonzept beim
       Braunschweig-Spiel auch eine Folge des „übermäßige(n) Einsatz(es) von
       Pyrotechnik beim Hinspiel gegen Eintracht Braunschweig“, gewesen sei.
       
       Die Formulierungen lassen auf intensive diplomatische Bemühungen zwischen
       Fan- und Vereinsvertretern schließen. Martin Kind war auf Wunsch der Fans
       nicht an den Gesprächen beteiligt. Über die veröffentlichte Erklärung
       hinaus gibt es weitere schriftlich fixierte Zugeständnisse des Vereins.
       „Kern dieser Vereinbarung ist eine Rückkehr zum Supportersblock im Zentrum
       des Nord-Oberrangs in gewohnter Form als Stehplatzbereich und mit freier
       Platzwahl“, erklärt die Rote Kurve. Weitere Punkte seien die verbesserte
       Versorgung mit Eintrittskarten für Exil-Fanklubs sowie die Zusage, dass
       auch Spruchbänder mit kritischen Inhalten nicht mehr genehmigt werden
       müssen. „Uns ist bewusst, dass in den Augen vieler dies keine
       weitreichenden Zugeständnisse sind, sondern lediglich die Formulierung von
       Selbstverständlichkeiten im Verhältnis zwischen Hannover 96 und seiner
       Anhängerschaft“, heißt es weiter. Deshalb drängt die Rote Kurve auf
       verbindliche Strukturen für die weitere Zusammenarbeit.
       
       Ultras und Rote Kurve rufen dazu auf, die Profis im nächsten Heimspiel
       gegen Hoffenheim wieder zu unterstützen. Ihren Support für das
       Regionalligateam wollen die 96-Fans dennoch fortsetzen. „Wir haben hier
       Sachen wiederentdeckt, die wir in der Bundesliga gar nicht mehr so gesehen
       haben. Die Wurst kommt noch vom Holzkohlegrill, das Bier kostet 2,50, wir
       bezahlen bar, man kann mit den Ordnern reden, es gibt eine Interaktion mit
       den Spielern, man spürt deren Wertschätzung“, sagt ein Ultra-Sprecher. „Die
       Liebe zum Fußball ist eher noch gewachsen."
       
       20 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Lorenzen
       
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